Edgar Reitz
Zeitkino
Hg. v. Christian Schulte. Berlin: Vorwerk 8, 2015. (= Texte zum Dokumentarfilm; 17)
Edgar Reitz, aktuell mit dem Deutschen Filmpreis für DIE ANDERE HEIMAT geehrt, gehört zu den Begründern des Neuen Deutschen Films und war unter den Unterzeichnern des Oberhausener Manifests vielleicht der genuinste Filmemacher. Er realisierte in den frühen 60er Jahren zahlreiche Kurzfilme, darunter ein Meisterwerk wie GESCHWINDIGKEIT, sowie zahlreiche Industrie- und Werbefilme, die es dem Autodidakten ermöglichten, zu experimentieren und sich das filmische Handwerk von Grund auf anzueignen. In Alexander Kluges ABSCHIED VON GESTERN gelangen ihm als Kameramann ikonische Einstellungen, und sein erster Langfilm MAHLZEITEN besticht noch heute durch eine den Plot furios fragmentierende Montage. In den 70er Jahren entwickelte sich Reitz weg von einer Ästhetik des Fragments hin zu einem Erzählkino von epischen Ausmaßen: „Wirklich zu mir selbst gefunden habe ich erst in HEIMAT. Da entdeckte ich in mir das Geheimnis des Narrativen. Bis dahin war ich ein Anti-Erzähler.“ Das HEIMATProjekt, mit dem Reitz auch international der Durchbruch gelang, ist inzwischen zu vier großen Zyklen angewachsen, die 150 Jahre deutsche Geschichte aus der Mikroperspektive der eigenen Lebens- und Familiengeschichte vergegenwärtigen und zu einem eigenen Erzählkosmos verdichten, der im Medium filmischer Erinnerung kollektive Erfahrungen aufruft und assoziativ miteinander verknüpft. Soziale Synapsen zu bilden, darin liegt für Edgar Reitz die eigentliche Bedeutung der Filmkunst – und vor allem seines eigenen „Zeitkinos“.
Der vorliegende Band versammelt Texte – Essays, Interviews, Bruchstücke – aus fünf Jahrzehnten, viele werden erstmals publiziert. Texte, in denen der Regisseur Einblicke in sein Leben, sein Verständnis des Autorenfilms, seine Arbeitsweise und die Entstehungsprozesse einzelner Filme gewährt, in denen er analoge und digitale Produktionstechniken, den kinematographischen Raum und Verfahren der Bildgestaltung auf bislang ungenutzte Möglichkeiten hinbefragt – immer mit Blick auf die fiktionale Kraft eines Mediums, dessen eigentliche Zukunft erst noch bevorsteht.
(Inlaytext)
288 Seiten
ISBN 978-3-940384-66-9
Bestellmöglichkeit und weitere Informationen auf der Website des Vorwerk 8 Verlags
INHALT
VORWORT [Christian Schulte]
DER BLICK INS FEUER
Gespräch zwischen Edgar Reitz und David Brückel [2009]
I. LIEBE ZUM KINO
Liebe zum Kino [1962]
Vom Lichtspiel zum Kino [1963]
Utopie Kino [1963-65]
VariaVision [1965]
Der Film verlässt das Kino [1968]
Brief aus Knokke [1967/68]
Filmen außerhalb der professionellen Grenzen [1969]
Der Wiederaufbau eines angenehmen Kinoklimas [1970]
Königin-Besuch [1965]
Kinder drehen Filme [1968]
Das Elend des kulturellen Wettbewerbs [1969]
Sympathische Nazis [1973]
Hände [1964]
Unabhängiger Film nach HOLOCAUST? [1979]
Die Kamera ist keine Uhr [1979]
Reise nach Marburg [1964]
Das Kino der Autoren lebt [1980]
Das Unsichtbare und der Film [1983]
II. ERZÄHLEN IM FILM
Geheimnis der Filmbilder [1994]
Gespräch zwischen Edgar Reitz und Brigitte Leierseder-Riebe über das Filmprojekt DIE ZWEITE HEIMAT [1992]
Der Erzähler als Singularist [2010]
Notiz: Publikum und Film [2014]
III. BILDER IN BEWEGUNG
Film im Strom der Zeit [1995]
Die Wiedergeburt des Epos aus den Netzwerken [1995]
Die Zukunft des Kinos im digitalen Zeitalter [1995]
IV. ZEITKINO
Brief an Helmut Lachenmann [2009]
Fragmente über Zeit [ca. 1997]
Erzählen im Film / Fragment [2006]
Grußwort an die Studierenden der HFF München [2014]
Kino der Zukunft [2013]
Die Rettung des Ich in der Kunst [2009]
Versuch über die Wirkungsweise des Schwarzweiß-Films im Vergleich zum Farbfilm [2014]
Symbolismus im Film. Brief an Lothar Spree [2009]
Was ist ein Film-Autor? [1995/96]
Über den Einfluss des Fernsehens auf das deutsche Kino [1999]
Was heißt wirklich, was heißt schön im Kino? [2009]
Josef Anton Riedl [1996]
Über das Drehbuchschreiben [2005]
Das Zeitkino [1993]
ANHANG
Filmographie
Textnachweise
Bildnachweise