Provokation der Wirklichkeit. 50 Jahre Oberhausener Manifest

Do., 7. Juni und Fr., 8. Juni 2012

im Österreichischen Filmmuseum, Augustinerstraße 1, A-1010 Wien

Das Oberhausener Manifest – fraglos das wichtigste Gruppendokument des deutschen Films –, dessen Veröffentlichung sich am 28. Februar 2012 zum fünfzigsten Mal jährte, markiert eine der bedeutendsten und zugleich am wenigsten bekannten Perioden der deutschen Filmgeschichte. Eine systematische Sicherung und Sammlung der filmischen Arbeiten, die die 26 Unterzeichner in ihrer aktivsten Zeit (1958-1967) hergestellt haben, ist indes nie unternommen worden.

Um eine erneute handfeste Basis für die Auseinandersetzung mit diesem Manifest und den damit verbundenen filmischen, kulturellen und politischen Erneuerungsbewegungen der 1960er Jahre in Deutschland zu schaffen, ist das internationale Projekt PROVOKATION DER WIRKLICHKEIT – 50 JAHRE OBERHAUSENER MANIFEST angetreten.

Wesentlicher Bestandteil dieses Vorhabens ist das zweitägige Internationale Symposium, das im Rahmen der Wiener Film-Retrospektive zum Oberhausener Manifest am 7. und 8. Juni 2012 im Österreichischen Filmmuseum stattfindet. Während dieses Symposiums soll es darum gehen, mit historiographischer Seriosität den Widerspruch zwischen tradiertem Wissen und Nicht-Wissen um das Oberhausener Manifest und seiner Protagonisten auszuloten.

Zur Begutachtung steht das Oberhausener Manifest als kultur- und mentalitätsgeschichtliches Schwellenphänomen in der Bundesrepublik der 1960er Jahre, die thematischen Horizonte der ‚Oberhausener‘, die interdisziplinären Schnittstellen in ihren Arbeiten (Film, Fernsehen, Literatur, Theorie und Politik), ihre Interaktion mit zeitgleichen kulturell-politischen Erneuerungsbewegungen in anderen Ländern sowie der Stellenwert des Oberhausener Manifests im Zusammenhang weiterer künstlerisch-politischer Manifeste im zwanzigsten Jahrhunderts.

Siegfried Kracauer, ‚Filmkritik‘, and the Young German Film
Eric Rentschler, 07.06.2012

Programm – Donnerstag, 7. Juni 2012 

11:00-13:30

  • Eric Rentschler (Harvard): Siegfried Kracauer, Filmkritik, and the Young German Film
  • Karin Harrasser (Braunschweig): Die Zukunft gehört der Geschichte des Kinos. Alexander Kluges Gegenwartsuntersuchungen als historiographischer Unruheherd

15:00-16:30

  • Nils Plath (Erfurt/Berlin): Endlich progressiv. Das Oberhausener Manifest als Manifest zu seiner Zeit
  • Jörg Becker (Berlin): Oberhausen und die Ästhetik der 1960er Jahre

17:00-18:30

  • Elisabeth Büttner (Wien): Zeitschleifen 1962. Der Regisseur Herbert Vesely
  • Christine N. Brinckmann (Berlin): Vlado Kristl – verstörender fremder Vogel

20:45-

  • Panel und Publikumsgespräch mit den Filmemachern Helmut Herbst (Brombachtal-Birkert), Christian Rischert (Murnau), Hans Scheugl (Wien)
    Moderation: Hans-Günther Pflaum (München)
Die Zukunft gehört der Geschichte des Kinos. Alexander Kluges Gegenwartsuntersuchungen als historiografischer Unruheherd
Karin Harrasser, 07.06.2012

 Freitag, 8. Juni 2012 

11:00-12:30

  • Heinrich Adolf (München): Obermünchhausener Topografie
  • Franziska Latell (Berlin): Moskau 1957, Jazz im Kreml, Moskau ruft! Varianten und Fassungen eines fast vergessenen Films

14:00-15:30

  • Florian Wüst (Berlin): Sinus und Sägezahn. Elektronische Musik im Industrie- und Experimentalfilm der 1950/60er Jahre
  • Gerlinde Waz (Berlin): Experimentelles Fernsehen der 1960er und 1970er Jahre

15:30-

  • Filmvorführung: Ferry Radax, NDF-Report (1967), 21 min
    Einführung: Ralph Eue (Berlin) und Christian Schulte (Wien) 
Endlich progressiv. Das Oberhausener Manifest als Manifest zu seiner Zeit
Nils Plath, 07.06.2012

Filmprogramm

In der VIS Vienna Independent Shorts Opening Night am Mi, 6.6.2012, 20h im Gartenbaukino wird Alexander Kluges Porträt einer Bewährung (1964) gezeigt.

Obermünchhausener Topografie
Heinrich Adolf, 08.06.2012

Das Oberhausener Manifest ist eines der wichtigsten Gruppendokumente des europäischen Films. Die bekanntesten Namen in diesem Zusammenhang sind Alexander Kluge, Edgar Reitz, Haro Senft, Peter Schamoni und Herbert Vesely. Zu den weiteren Unterzeichnern gehörten auch Kameraleute, Produzenten, Musiker sowie der Schauspieler Christian Doermer. Im Zentrum der öffentlichen Wahrnehmung der Manifestanten stand immer der Gestus der Selbstermächtigung. Hinter der großsprecherischen Attitüde richtete sich der Ehrgeiz aber auch auf die Schaffung von – politischen, organisatorischen und ästhetischen – Grundlagen, auf denen sich eine Filmindustrie in Deutschland überhaupt nachhaltig entwickeln können sollte.
Die acht Programme mit Filmen aus der Zeit von 1958 bis 1968, die das Österreichische Filmmuseum zeigt, haben diesen Hintergrund im Blick, gehen aber weit über das Schaffen der eigentlichen „Oberhausener“ hinaus. Das kritische Erinnern an ihre Zeit will größere Räume eröffnen und parallele Erneuerungsmomente in Deutschland und anderen Ländern präsentieren.
Die Kurzfilme von Fassbinder, Herzog, Straub/Huillet, von Marquard Bohm, Roland Klick, Vlado Kristl, Peter Nestler oder Helke Sander entwerfen zum Teil ganz andere ästhetische und politische Perspektiven als die Werke der Manifestanten selbst.
Der „Durchbruchsfilm“ der Oberhausener, Veselys Böll-Adaption Das Brot der frühen Jahre, wird mit einem Querschläger-Spielfilm konfrontiert, Bernhard Wickis Warum sind sie gegen uns? Und herausragende internationale Kurzfilme dieser Ära (von Shirley Clarke, Forough Farrokhzad, Jonas Mekas, Roman Polanski, Hans Scheugl, Alain Tanner) treten in Relation zu den formalen und inhaltlichen Horizonten der Oberhausener – ihren Untersuchungen der deutschen Geschichte (z. B. Es muß ein Stück vom Hitler sein von Walter Krüttner), ihrem Verständnis der Moderne (z. B. Das magische Band von Ferdinand Khittl) und ihren Gegenwartsbeobachtungen (z. B. Notizen aus dem Altmühltal von Hans Rolf Strobel und Heinrich Tichawsky).

aus der Broschüre zum Symposium
Sinus und Sägezahn. Elektronische Musik im Industrie- und Experimentalfilm der 1950/60er Jahre
Florian Wüst, 08.06.2012

Alle Filme werden im Österreichischen Filmmuseum gezeigt. | Augustinerstraße 1 | 1010 Wien

Das Datum des jeweiligen Programms ist verlinkt zu einer Beschreibung auf der Webseite des Österreichischen Filmmuseums.

Oberhausen und die Ästhetik der 1960er Jahre
Jörg Becker, 07.06.2012

Moderne International 1

Donnerstag, 7. Juni 2012, 19.00 Uhr | Freitag, 15. Juni 2012, 21.00 Uhr
Alain Tanner, Claude Goretta Nice Time (1957) s/w, 18 min
Roman Polanski, Edward Skorzewski Dwaj ludzie z szaf (Zwei Männer und ein Schrank) (1958) s/w, 15 min
Shirley Clarke Bridges-Go-Round (1958) Farbe, 4 min
Jean Herman Actua Tilt (1960) s/w, 12 min
Forough Farrokhzad Khaneh siah ast (Das Haus ist schwarz) (1963) s/w, 21 min

Freitag, 8. Juni 2012, 19.00 Uhr
Das Brot der frühen Jahre (1962) Regie: Herbert Vesely; Drehbuch: Vesely, Leo Ti; Kamera: Wolf Wirth; Musik: Attila Zoller; Darsteller: Christian Doermer, Karen Blanguernon, Vera Tschechowa, Eike Siegel, Gerry Bretscher. s/w, 88 min

Zeitschleifen 1962. Der Regisseur Herbert Vesely
Elisabeth Büttner, 07.06.2012

Schattenwurf

Freitag, 8. Juni 2012, 21.00 Uhr | Donnerstag 14. Juni 2012, 19.00 Uhr
Jean-Marie Straub, Danièle Huillet Machorka-Muff (1963) s/w, 18 min
Walter Krüttner Es muß ein Stück vom Hitler sein (1963) s/w, 12 min
Alexander Kluge Porträt einer Bewährung (1965) s/w, 13 min
Vlado Kristl Arme Leute (1963) s/w, 8 min
Helmut Herbst Schwarz-Weiß-Rot (1964) Farbe, 6 min
Werner Herzog Maßnahmen gegen Fanatiker (1968) Farbe, 12 min

Montag, 11. Juni 2012, 19.00 Uhr
Warum sind sie gegen uns? (1958) Regie: Bernhard Wicki; Drehbuch: Wicki, Kurt Joachim Fischer; Kamera: Gerd von Bonin; Musik: Hans-Martin Majewski; Darsteller: Ingrid Resch, Thomas Braut, Anja Böckmann, Tilly Braun, Dieter Henkel. s/w, 65 min
Na und …? (1966) Regie: Marquard Bohm, Helmut Herbst; Drehbuch: Bohm; Kamera: Nils Peter Mahlau; Darsteller: Hark Bohm, Marquard Bohm, Petra Krüger. s/w, 34 min

Mittwoch, 13. Juni 2012, 19.00 Uhr
Ludwig (1964) Regie, Drehbuch, Musik: Roland Klick; Kamera: Jochen Cerhak Klick; Darsteller: Otto Sander, Elke van Schoor. s/w, 16 min
Tobby (1961) Regie: Hansjürgen Pohland; Drehbuch: Pohland, Siegfried Hofbauer; Kamera: Wolf Wirth; Musik: Manfred Burzlaff; Darsteller: Tobias Fichelscher, Anik Fichelscher, Ed Fichelscher, Danny Fichelscher, Eva Häußler. s/w, 81 min

Vlado Kristl – verstörender fremder Vogel
Christine N. Brinckmann, 07.06.2012

Geschmack des Lebens

Mittwoch, 13. Juni 2012, 21.00 Uhr
Herbert Vesely Menschen im Espresso (1958) s/w, 18 min
Peter Schamoni, Enno Patalas Osterspaziergang (1959) s/w, 11 min
Hans Rolf Strobel, Heinrich Tichawsky Notizen aus dem Altmühltal (1961) s/w, 18 min
Peter Nestler Mülheim/Ruhr (1964) s/w, 15 min
Helke Sander Silvo (1967) s/w, 11 min
Rainer Werner Fassbinder Der Stadtstreicher (1966) s/w, 10 min

Kunst Handwerk Industrie

Donnerstag, 14. Juni 2012, 21.00 Uhr
Detten Schleiermacher Trab, Trab (1958) s/w, 11 min
Ferdinand Khittl Das magische Band (1959) Farbe, 21 min
Raimond Ruehl Salinas (1960) s/w, 11 min
Edgar Reitz Geschwindigkeit – Kino 1 (1963) s/w, 13 min
Christian Rischert Der Traum (1964) s/w, 12 min
Peter Schamoni Die widerrechtliche Ausübung der Astronomie (1965) Farbe, 12 min
Vlado Kristl Prometheus (1966) Farbe, 10 min

Moderne International 2

Freitag, 15. Juni 2012, 19.00 Uhr
Ferry Radax Sonne halt! (1959) s/w, 32 min
István Szabó Te (You) (1962) s/w, 10 min
Jonas Mekas Cassis (1966) Farbe, 5 min
Hans Scheugl Hernals (1967) Farbe, 11 min
Kitamura Minao Kaberu no uma (The Horse of Kaberu) (1966/69) s/w, 28 min

Diskussion zu 50 Jahre Oberhausener Manifest
07.06.2012

Team:

Leitung:
Ralph Eue | Christian Schulte

Mitarbeit:

Franziska Bruckner | Alexandra Hesse | Klaus Illmayer | Jana Koch | Alexandra Matsouka | Georg Vogt