„Persona“ im leeren Raum

Walter Benjamins physiognomische Studie „Der destruktive Charakter“

Donnerstag, 10. Jänner 2013 – 19:00

tfm | Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft – Schreyvogelsaal, Hofburg, Batthyanystiege, A – 1010 Wien

Vortrag von Alexander Honold
Alexander Honold ist Ordinarius für Neuere Deutsche Literaturwissenschaft am Deutschen Seminar der Universität Basel und Forschungsdekan der Philosophisch-Historischen Fakultät der Universität Basel. Arbeitsschwerpunkte:

  • Forschungs- und Bildungsreisen seit der Goethezeit
  • Erzählforschung
  • Semantik der Landschaft und Literaturgeschichte des Wassers
  • Spiel und Improvisation
  • Astronomie und Kalender als kulturelle Wissensformen

Walter Benjamins Essay „Der destruktive Charakter“ gehört zu jenen Texten, die der Verfasser zu Anfang seines Exils in eine Nachtragsliste der Prosasammlung „Einbahnstraße“ aufnahm. Die Studie ist das Dokument einer Selbstprüfung im Stadium einer tiefen existentiellen Krise, die Benjamin hier freimütig wie selten nach außen kehrt. In dem enigmatisch angelegten Text verbindet sich Benjamins physiognomische Vorgehensweise mit produktionsästhetischen Erwägungen in eigener Sache, und zugleich schließt sie einen virtuellen Bündnispakt mit jenen, die ihrer zunehmend isolierten Rolle im öffentlichen Leben mehr Lebensenergie abzugewinnen vermochten, als dies Benjamin selbst noch möglich war. Der Verfasser hatte Grund und Anlass, die „persona“ des destruktiven Charakters als Träger eines befreienden, ausräumenden Tuns zu konzipieren, gerade weil die Leere des Raumes für einen linksintellektuellen Kritiker eine der letzten verbliebenen Optionen auf dem Feld politischer Strategeme bildete.